Elektrisch betriebene Rollläden dürfen zweiten Rettungsweg nicht blockieren
BERLIN. Wenn es im Haus brennt, müssen die Bewohner schnell ins Freie gelangen können. Deshalb muss jede Nutzungseinheit mit Aufenthaltsräumen in jedem Geschoss gemäß §33 Musterbauordnung zwei voneinander unabhängige Rettungswege haben. Der erste erfolgt auf direktem Wege über den Flur, das Treppenhaus und die Haustür, der zweite beim Einfamilienhaus in der Regel über eine durch die Feuerwehr mit Rettungsgeräten erreichbare Stelle, zum Beispiel ein Fenster. Die meisten Bauherren haben diesen vorgeschriebenen zweiten Rettungsweg jedoch bei der Planung ihres Hauses nicht im Blick, so die Beobachtung der Experten im Verband Privater Bauherren (VPB). Und sie denken erst recht nicht daran, dass dieser zweite Rettungsweg freizugänglich sein muss, also im Brandfall beispielsweise nicht durch einen Rollladen blockiert sein darf. Genau diese Gefahr besteht jedoch, wenn die Rollläden elektrisch betrieben werden. "Wenn es brennt, fällt oftmals als erstes der Strom aus. Dann sind die Bewohner im Gebäude unter Umständen nicht mehr handlungsfähig: Sie können den Rollladen am Rettungswegfenster nicht mehr öffnen, sich also für die Rettungskräfte nicht bemerkbar machen und auch nicht alleine ins Freie gelangen. Das kann lebensgefährlich werden", erklärt Hans Schröder, Leiter des VPB-Regionalbüros in Augsburg. "Leider sichern viele Baufirmen in ihren Musterbaubeschreibungen die frei zugängliche Herstellung des zweiten Rettungsweges nicht ausdrücklich zu. Wenn Bauherren rechtzeitig vor Vertragsunterzeichnung zu uns in die Beratung kommen, machen wir sie darauf aufmerksam."
Technisch gibt es dafür unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten. Klassische manuell betriebene Rollläden werden entweder über einen Gurt oder über eine Kurbel bedient und sind auch bei Stromausfall zu öffnen. Wer in seinem Haus nicht auf den Komfort eines elektrischen Antriebs verzichten möchte, kann jedoch den notwendigen zweiten Rettungsweg durch ein anleiterbares Fenster im Obergeschoss mit einem nur manuell betriebenen Rollladen ausstatten. Es gibt auch elektrisch betriebene Rollläden, die mit einer Nothandkurbel versehen sind. Andere Produkte verfügen über ein mechanisches Federsystem, das im Notfall durch einen Druckknopf neben dem Fenster gelöst wird und den Rollladen hochfährt. Auch Elektrosysteme mit akkubetriebener Notöffnung können eine gute Lösung sein. Und schließlich bietet ein Hersteller Kunststoffrollläden mit einer Art Sollbruchstelle. Eine gekennzeichnete Lamelle wird im Notfall herausgebrochen und macht damit den Weg frei, weitere Lamellen zu entfernen und so eine Fluchtöffnung herzustellen. „Die Landesbauordnung in Bayern beispielsweise ist bezüglich der Gestaltung des zweiten Fluchtweges, des Gebrauchs von Rollläden und abschließbaren Terrassentüren sehr vage formuliert. Immerhin legt Artikel 35 Absatz 4 BayBO über die Vorbildnorm der Musterbauordnung hinaus fest, dass entsprechende Fenster von innen zu öffnen sein müssen. Es gibt aber auch häufiger Auslegungsvorschriften übergeordneter Bauaufsichtsbehörden, die auf notwendigen Kurbel- oder Akkubetrieb verweisen. An diese Auslegungen sind die nachgeordneten Bauaufsichtsbehörden gebunden. Egal, ob Notkurbel, Federsystem oder Akku-Modul - entscheidend ist, dass das System über eine gültige Zulassung verfügt“, betont Hans Schröder. Sobald der Bauvertrag entsprechend formuliert ist, ist es Aufgabe des Auftragnehmers, ein individuell in Frage kommendes Rollladensystem vorzuschlagen und mit der Baubehörde abzustimmen, ob die vorgesehene technische Lösung den Anforderungen an den baupolizeilichen Brandschutz entspricht.
Bei der Hausplanung gilt es darüber hinaus, die Vorschriften in der jeweiligen Landesbauordnung zur Größe der Fluchtöffnung im Blick haben. Soll ein Fenster im Obergeschoss als zweiter Rettungsweg dienen, muss es laut Musterbauordnung im Lichten mindestens 0,90 Meter mal 1,20 Meter groß und nicht höher als 1,20 Meter über der Fußbodenoberkante angeordnet sein. Für Fenster in Dachschrägen gelten weitere Bestimmungen. In den Bundesländern können abweichende Vorgaben für die Mindestmaße und auch für die räumliche Anordnung des Rettungsweges gelten. Bauvorschriften sind jedoch in aller Regel nur Minimalvorschriften. „Bauherren wollen viele Jahre in ihrem Haus leben. Sie sollten daher auch bei der Planung von Details wie der Gestaltung des zweiten Rettungsweges langfristig denken. Im Gespräch mit einem unabhängigen Berater können individuelle Bedürfnisse und Anforderungen wie etwa Barrierearmut am besten erörtert werden“, empfiehlt Hans Schröder. Falls im Keller Aufenthaltsräume untergebracht sind, kann in der Beratung auch die Ausweisung zweiter Rettungsweg-Fenster im Keller thematisiert werden. Sie bereiten oftmals Schwierigkeiten, so die Beobachtung des Verbandes Privater Bauherren.
Weitere Informationen beim Verband Privater Bauherren e.V., Bundesbüro, Chausseestraße 8, 10115 Berlin, Telefon: 030 2789010, Fax: 030 27890111, E-Mail: info@vpb.de, Internet: www.vpb.de.
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