VPB-Untersuchung: Der Bauherr bekommt nicht, was er bezahlt
Interview zum Thema mit Dipl.-Ing. Thomas Penningh, Bausachverständiger und Vorsitzender des Verbands Privater Bauherren (VPB)
Frage:
Herr Penningh, der Verband Privater Bauherren kritisiert, Neubauten entsprächen zum großen Teil nicht der geltenden Energieeinsparverordnung EnEV. Wie kommen Sie darauf?
Antwort:
Der VPB hat im vergangenen Jahr in seinen über 60 bundesweit tätigen Regionalbüros die energetische Beschaffenheit der Neubauten unserer bauenden Mitglieder überprüft; insgesamt waren das 4.970 Stück, also knapp 5.000. Wir wollten wissen, ob die Energieausweise korrekt berechnet und auch baulich einwandfrei umgesetzt werden.
Frage:
Und was haben Sie herausgefunden?
Antwort:
Erschreckende Daten:
Fast 60 Prozent aller Energieberechnungen im Neubau haben Rechenfehler. Gut zwei Drittel aller Berechnungen gehen von falschen Voraussetzungen aus und führen deshalb später nicht zur gewünschten Energieeinsparung. Über 54 Prozent aller Berechnungen werden bautechnisch nicht korrekt umgesetzt. Vierzig Prozent aller fertigen Häuser entsprechen überhaupt nicht den Anforderungen der EnEV. Am schlimmsten aber finden wir:
53 Prozent aller mit öffentlichen Geldern geförderten Energiesparhäuser erfüllen gar nicht die Förderbedingung.
Frage:
Welche Konsequenzen hat das alles für die Bauherren?
Antwort:
Gravierende Konsequenzen:
Vor allem im letzten Fall droht den Bauherren der Verlust der Förderung. Die KfW-Bank beispielsweise hat sich die Prüfung der von ihr unterstützten Maßnahmen ausdrücklich vorbehalten. Prüft sie jetzt den Einzelfall und kommt zu denselben Ergebnissen wie wir, muss der Bauherr die Fördermittel zurückbezahlen oder er bekommt sie erst gar nicht. Für viele Hauskäufer steht und fällt damit aber die Gesamtfinanzierung. Aber auch, wenn der Bauherr keine öffentlichen Gelder in Anspruch nimmt, bekommt er nicht das, wofür er bezahlt.
Frage:
Sie kritisieren unter anderem, die Energieberechnungen gingen von falschen Voraussetzungen aus. Das lässt sich doch heute alles mit PC-Programmen durchrechnen. Wo liegen denn im Einzelnen die Probleme?
Antwort:
Die Rechnungen sind natürlich standardisiert, aber Sie müssen im PC-Programm auch die richtigen Werte eingeben. Und die müssen stimmen. Häufig wird zum Beispiel eine Wärmepumpe ins Energiekonzept eingerechnet, obwohl eine solche Pumpe in Wirklichkeit gar nicht eingebaut werden soll. Oft beziehen die Aussteller von Energieausweisen auch beheizte Kellerräume in ihre geschönte Rechnung ein, obgleich diese Kellerräume später nicht als energetische Pufferzone dienen, sondern allenfalls als kühle Lagerfläche.
Ähnlich sieht bei Spitzböden aus. In beiden Fällen sieht zwar die Energiebilanz gut aus, wird aber in der Realität später so nicht erreicht. Und das Schlimme: Die Bauherren wissen es nicht einmal und erfahren auch später nicht, warum ihr neues Haus nicht so sparsam ist, wie berechnet - und erhofft.
Eine seriöse Energieberechnung lässt sich nur in Abstimmung mit der Bauherrschaft und dem verantwortlichen Planer erstellen. Dabei werden alle Räume im Haus durchgesprochen, wie sie später benutzt werden, ob und wie sie beheizt beziehungsweise dämmtechnisch voneinander getrennt werden. Das ist Fleißarbeit, solche Berechnungen lassen sich nicht über den Daumen peilen.
Frage:
Der VPB kritisiert aber nicht nur die Berechnungen, sondern auch die bautechnische Umsetzung. Was haben Sie entdeckt?
Antwort:
Regelmäßig stellen wir fest:
Dämmstoffe, die in den Energieberechnungen vorgesehen sind, werden nicht in der erforderlichen Dicke oder Qualität eingebaut. Fußbodenheizungen werden eingerechnet, aber später nicht - wie anfangs geplant - in jedem Raum individuell gesteuert. Rohrisolierungen sind heute ein Muss, werden aber oft auf der Baustelle nachher gar nicht in der erforderlichen Dämmstärke ausgeführt. Ein kritisches Kapitel sind Fenster- und Türanschlüsse, oder, schlimmer noch - mangelhaft verklebte Dampfbremsen im Dach - dort pfeift dann der Wind ungehindert ins Haus und trübt die rechnerisch schöne Energiebilanz ganz erheblich.
Frage:
Was ist bei diesen Dampfbremsen so schlimm?
Antwort:
Die luft- und dampfdiffusionsdichte Wärmedämmung des Daches steht und fällt mit den sorgfältigen Anschlüssen der dafür vorgesehenen Folien. Sind sie unsauber verklebt, dann verliert das Dach durch konvektive Wärmebrücken Wärme. Das wird aber meist erst hinterher offenbar, wenn die Dachschrägen längst verkleidet sind und die ersten Probleme auftreten, wie kühle Wandoberflächen, Zugerscheinungen oder noch schlimmere bauphysikalische Probleme. Aber wer lässt dann alles wieder freiwillig aufreißen und reparieren?
Frage:
Ein großes Problem sind offenbar so genante Wärmebrücken. Warum?
Antwort:
Wärmebrücken entstehen überall dort, wo nicht gedämmt Bauteile die Wärme nach außen - beziehungsweise umgekehrt die Kälte nach innen - leiten. Klassische Beispiele für stoffliche Wärmebrücken sind ungedämmte Rollladenkästen oder auch Balkonplatten oder Vordächer, die in die Hauswand eingespannt sind. Heute kennen wir diese Problemzonen, wir können sie in der Konstruktionsplanung berücksichtigen und entsprechend dämmen. Das ist alles in der DIN 4108 geregelt und ist in einem Musterkatalog dargestellt oder muss sorgfältig berechnet werden. Leider ist das häufig aber nicht der Fall und ausgeführt wird es so auch nicht.
Frage:
Wie kann sich der Bauherr gegen all diese Schäden schützen?
Antwort:
Nur durch sorgfältige Kontrolle. Das gilt vor allem für Hauskäufer, die eine schlüsselfertige Immobilie kaufen möchten. Sie bekommen in der Regel keinen Einblick in die Berechnungen oder die Bauausführung. Es sei denn, sie lassen sich beides vor Vertragsabschluss schriftlich zusichern. Dann können sie alles vom unabhängigen Sachverständigen prüfen lassen und eventuelle Fehler oder Probleme ausräumen. Gleiches gilt für die Bauausführung. Wer sich das Recht sichert, eine unabhängigen Experten zu regelmäßigen Baukontrollen auf die Baustelle zu schicken, der hat die Gewähr, theoretische Berechnungen später auch baulich umgesetzt zu sehen.
Frage:
Wie oft muss der Fachmann auf die Baustelle, um solch gravierende Mängel zu entdecken?
Antwort:
Das richtet sich nach dem jeweiligen Objekt, aber rund drei bis viermal sollte der Experte schon nach dem Rechten schauen, und zwar immer dann, wenn Wärmedämmung eingebaut wird. Da wäre beispielsweise die Kontrolle des Kellers bevor die Baugrube verfüllt wird, die Begutachtung des Daches ehe die Konstruktion von innen verkleidet wird. Auch die Dämmung der Wärmebrücken und die luftdichten Anschlüsse der Fenster müssen im Rohbau geprüft werden, bevor Estrich und Putz sie unerreichbar versiegeln. Vor der offiziellen Bauabnahme kontrolliert der Sachverständige dann unter anderem die gesamte Heiztechnik, wozu auch die vorschriftsmäßige Isolierung der Heizungs- und Warmwasserleitungen gehört. Wichtig ist immer der sinnvoll gewählte Zeitpunkt der Prüfungen.
Frage:
Was kann der Bauherr noch tun, um wirklich das zugesagte Energiesparhaus zu bekommen?
Antwort:
Idealerweise lässt er sich bereits im Vertrag noch einen Blower-Door-Test und thermografische Innenaufnahmen des Hauses zusichern. Mit diesen beiden Methoden können wir heute gut prüfen, ob ein Haus wirklich richtig gedämmt ist oder ob bei der Ausführung geschludert wurde.
Pressegrafik zum Thema "Energiesparhaus oft Mogelpackung"
VPB-Untersuchung zum Energieausweis: Hauskäufer bekommen meist nicht, wofür sie bezahlen!
Sinnvolle Zusatzinformationen:
Drucksache des Deutschen Bundestages 16/8818(PDF-Datei 100KB)
ABC des Heizens
Weitere Informationen beim Verband Privater Bauherren e.V., Bundesbüro, Chausseestraße 8, 10115 Berlin, Telefon: 030 2789010, Fax: 030 27890111, E-Mail: info@vpb.de, Internet: www.vpb.de.
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