VPB-Experteninterview
Bestandsimmobilien kaufen und sanieren - wie attraktiv sind Wohnhäuser der 60er, 70er und 80er Jahre?
Baureife Grundstücke sind Mangelware. In guten Lagen sind sie schon lange ausverkauft – oder so teuer, dass das Grundstück allein schon mehrere Hunderttausende kosten kann. So richtet sich der Blick verstärkt auf die vielen Wohnhäuser, die in den vergangenen Jahrzehnten errichtet wurden. Viele Häuser der Aufbaugeneration aus den 60er – 80er Jahren kommen auf den Markt. Oft befinden sie sich in attraktiven Lagen, die Grundstücke sind meist noch großzügig bemessen und die Infrastruktur ist vorhanden. Doch Gebäude aus den Nachkriegsjahren können es trotz großer äußerlicher Attraktivität in sich haben, so Marc Ellinger, Bauherrenberater im VPB und Leiter des Freiburger Regionalbüros des Verbraucherschutzverbandes. „In diesen Jahrzehnten hat man die Errungenschaften der Bauchemie gefeiert – und heute müssen wir in diesen Häusern grundsätzlich befürchten, dass wir Schadstoffe im Gebäude finden könnten. Asbest in Klebern, Putzmörteln, Spachtelmassen, Tapeten, Bodenbelägen, Rohren und Rohrummantelungen, PCB, Dioxine, Furane, künstliche Mineralfasern, teerhaltige Kleber – es gibt eine lange Liste an Stoffen, auf die das Haus von einem Schadstoff-Experten untersucht werden sollte. Und auch die Natur bietet leider einiges an gesundheitsgefährdenden Biostoffen – Schimmel oder Taubenkot stellen eine erhebliche Gefahr dar. Deshalb muss jede Immobilie sorgfältig untersucht werden."
Liegt ein begründeter Schadstoffverdacht vor – dieser ergibt sich bereits aus dem Bauzeitalter – ist der Verkäufer verpflichtet, die Kaufinteressenten darüber zu informieren. Alternativ kann er ein Gutachten vorlegen, dass die Schadstofffreiheit belegt.
Wenn dann Stoffe gefunden werden, die bei Sanierung als Sonderabfälle zu entsorgen sind, rät Ellinger, die Kosten für die gesetzlich vorgeschriebene Schadstoffdokumentation und -entsorgung vorab möglichst genau berechnen zu lassen. Nicht selten erweise sich, dass ein Umbau mit erforderlicher Schadstoffsanierung am Ende teurer werden kann als ein Abriss und Neubau. Und manchmal sprengt schon allein der Abriss das Budget. Denn auch alle vorhandenen Schadstoffe schlagen als teuer rückzubauende und zu entsorgende Sonderabfälle zu Buche. „Natürlich sollte man versuchen, die sogenannte graue Energie, also die für den Bau des Bestandsgebäudes aufgewendete Energie zu erhalten. Am Ende ist es aber eine Frage der Abwägung von Kosten und Nutzen.
Und nicht selten kommen Bauherren zu dem Schluss, dass sie für die erheblichen Kosten einer Sanierung vorhandener Räume lieber einen Neubau planen lassen. Auf dem Weg zu dieser Entscheidung sollten sie sich in jedem Fall von unabhängigen Sachverständigen beraten und begleiten lassen", sagt der Bauexperte. Entscheide man sich für eine Sanierung, für die aus ökologischer Sicht einiges spreche, solle man sich auch über mögliche Fördermittel rechtzeitig vor Beginn der Planung informieren. Ellinger gibt dabei zu bedenken: „Ein Haus aus den 60er oder 70er Jahren energetisch so zu ertüchtigen, dass es den KfW- Kriterien für Energieeffizientes Sanieren entspricht, bedeutet hohen Aufwand beim Umbau. Es kann energetisch und ökologisch sinnvoll sein, das technisch und finanziell Machbare zu ermitteln und dies – auch wenn es nicht oder nur als Einzelmaßnahme gefördert wird – umzusetzen. Ein Haus mit einer moderat gedämmten Gebäudehülle ist energetisch schon weitaus besser als das vorher unsanierte Haus. Die Idee der Sanierung ist ja unterstützenswert – aber es sollte mit spitzem Stift gerechnet werden. Wichtig ist, dass man nicht aufs Geradewohl den erstbesten Altbau kauft, sondern das Objekt der Wahl vorher schon möglichst eingehend auf Chancen und Risiken in Augenschein nehmen und erstbeurteilen lässt."