VPB-Experteninterview
VPB-Sommerserie 2011 || "Bauen ist gut, Kontrolle besser!" - Teil 1 (von 4) "Bauvertrag"
BERLIN. Familien, die vom Eigenheim träumen, beauftragen entweder einen eigenen Architekten, der ihnen ein individuelles Haus plant, oder sie kaufen ein schlüsselfertiges Objekt. Rund Dreiviertel aller Einfamilienhäuser werden heute schlüsselfertig gebaut. Anbieter sind Bauträger, Generalunternehmer oder Generalübernehmer. Sie werben mit "Festpreisen" und "fixen Einzugsterminen". Viele angehende Hausbesitzer lassen sich davon locken, denn sie fürchten vor allem zwei Dinge: Hoffnungslos überzogene Budgets und endlos lange Bauzeiten. Also, warum nicht die ganze Bauerei an ein Unternehmen delegieren und möglichst wenig damit zu tun haben?
In der Theorie hört sich das verlockend an, die Realität sieht anders aus. Nach jahrzehntelangen Erfahrungen des Verbands Privater Bauherren (VPB) haben zwei Drittel aller Bauverträge für Schlüsselfertigimmobilien eklatante Mängel. Der Bauvertrag ist aber das A und O beim schlüsselfertigen Bauen. Nur was dort steht, das schuldet der Anbieter dem Käufer. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Was dort nicht steht, das ist auch im Preis nicht enthalten. Rund 65 Prozent aller Bauverträge sind nach VPB-Erkenntnissen unvollständig, wichtige Leistungen fehlen in diesen Bauverträgen und müssen später vom Bauherrn zusätzlich bezahlt werden. Im Schnitt schlagen die Extras mit 25.000 Euro zu Buche – dem Gegenwert eines Mittelklassewagens.
Häufig nicht im Vertrag enthalten sind beispielsweise Vermessungsarbeiten, das Bodengutachten, der Aushub, die Anschlüsse und die Erschließungskosten. All diese Positionen gehören aber zu einem gebrauchs- und bezugsfertigen Haus und sollten auch im Festpreis enthalten sein. So jedenfalls denkt der angehende Hausbesitzer. Was er oft nicht weiß: Es gibt keine rechtlichen Vorschriften zum Inhalt oder zur Gestaltung von Bauverträgen. Bauverträge unterliegen der so genannten Vertragsgestaltungsfreiheit. Die Parteien können die Verträge nach eigenen Vorstellungen formulieren und alle möglichen Details vereinbaren.
Die Baufirmen wissen das und lassen sich vom Rechtsanwalt hieb- und stichfeste Vertragsentwürfe ausarbeiten, die sie dann dem Hauskäufer vorlegen. Diese Verträge berücksichtigen natürlich in erster Linie die Interessen der Unternehmer, was deren gutes Recht ist. Dem Profi gegenüber steht der Bauherr, in der Regel ein Laie. Und der geht, so die Erfahrung des VPB, schlecht informiert an die teure Investition Haus heran. Viele Käufer schlüsselfertiger Immobilien verzichten auf den eigenen, unabhängigen Berater. Weil der Kauf eines Schlüsselfertigobjekts beim Notar protokolliert wird, vermuten sie, der Notar, als Vertreter des Staates, werde ihre Interessen wahren. Das, so der VPB, ist ein schwerwiegender Irrtum. Der Notar muss zwar auf die Rechtmäßigkeit des Vertrags achten, aber nicht darauf, ob der Vertragstext, den die Parteien ausgehandelt haben, einen der Vertragspartner benachteiligt.
Schützen können sich Bauherren und Käufer schlüsselfertiger Immobilien nur, wenn sie ihren Bauvertrag vor der Unterzeichnung von einem unabhängigen Experten genau prüfen lassen. Das dauert, so die Erfahrung der VPB-Experten, selten länger als drei Stunden und kostet meist nicht einmal 500 Euro. Wenig, verglichen mit den drohenden Nachzahlungen. Manch cleverer Bauherr versucht auch das noch zu sparen und informiert sich im Internet. Dort findet er Berichte und Erfahrungen anderer Bauherren, oft mit Hinweisen auf Bauverträge und was man darin alles beachten sollte.
Der Verband Privater Bauherren (VPB) warnt davor, solche Erfahrungen 1:1 in den eigenen Bauvertrag zu übernehmen. Bauverträge sollten immer individuell ausgehandelt werden und zwar mit Hilfe erfahrener Experten. Nur so kann der Bauherr seine Interessen und Rechte sichern und sich vor Überraschungen schützen. Hinzu kommt noch ein schwerwiegender juristischer Aspekt, warnt der VPB: Veranlasst ein Bauherr selbst die Verwendung bestimmter Vertragspassagen, dann trägt er auch das Risiko, wenn es zum Rechtsstreit kommt. Der Richter geht dann davon aus, dass ein Bauherr, der seinen Vertrag selbst überarbeitet, auch weiß, was er tut. Er kann sich später dann nicht mehr auf Unkenntnis berufen. Der Bauherr verliert damit den Schutz des Gesetzes vor dem Kleingedruckten, wenn er selbst das Kleingedruckte zum Vertragsinhalt macht. Alle Klauseln, die den Hauskäufer unangemessen benachteiligen, sind dann weiterhin zu Gunsten des Bauunternehmers wirksam!