VPB-Experteninterview
VPB-Untersuchung zur EnEV: Fast alles noch beim Alten!
BERLIN. Wie steht es mit der energetischen Qualität bei Neubauten? Zwei Jahre nach seiner ersten großangelegten Untersuchung zu diesem Thema hat der Verband Privater Bauherren (VPB) 2010 erneut nachforschen lassen: Wie werden die gesetzlichen Vorgaben der Energieeinsparverordnung 2009 (EnEV) auf den Baustellen technisch umgesetzt? Sind moderne Wohnhäuser in Deutschland tatsächlich Energiesparer oder sind sie nach wie vor Energieschleudern? Bekommt der private Bauherr den energetischen Standard, den das Gesetz vorschreibt und den er teuer bezahlt? Oder ist alles beim Alten geblieben?
"Die Ergebnisse der Untersuchung des von uns beauftragten Instituts Privater Bauherren (IPB) sind etwas besser ausgefallen als vor zwei Jahren, aber nach wie vor ernüchternd", resümiert VPB-Vorstandsmitglied Klaus Kellhammer und fügt hinzu: "Von den politisch gewünschten Vorgaben sind deutsche Neubauten immer noch weit entfernt." Das IPB untersuchte im relevanten Zeitraum 2010 insgesamt 5.231 Bauvorhaben, die von EnEV-Sachverständigen in den VPB-Regionalbüros bundesweit betreut wurden.
Die leichten Verbesserungen führt der Verband Privater Bauherren auf die inzwischen in vielen Fällen vorgeschriebene Sachverständigenberatung zurück. Wer Gelder der KfW-Bank beantragt, der muss sich in der Regel vom Bausachverständigen beraten lassen. "Das schlägt sich positiv nieder", erklärt Bauherrenberater Kellhammer. "Die KfW hat hier die richtigen Konsequenzen aus unseren Untersuchungen vor zwei Jahren gezogen."
Trotzdem bleibt die Bilanz der IPB-Untersuchung niederschmetternd: Der private Bauherr bekommt im Normalfall immer noch nicht, wofür er bezahlt. "Im Gegenteil: Rund 30 Prozent aller Neubauten entsprechen überhaupt nicht den Anforderungen der Energieeinsparverordnung", erläutert der Bausachverständige. Fast die Hälfte (49,23 Prozent) aller EnEV-Nachweise sind falsch berechnet. In 53,1 Prozent der untersuchten Fälle wurden die Berechnungen zur Energieeinsparung auf der Baustelle technisch nicht korrekt umgesetzt. "Zum Beispiel werden häufig schlechtere Dämmstoffe verwendet, als den Berechnungen zugrunde lagen", kritisiert Klaus Kellhammer. "Das führt natürlich in der Realität auch zu schlechteren Dämmwerten."
"Ganz besonders beliebt ist es auch, Maßnahmen zur Aufbesserung der energetischen Werte in die energetischen Berechnungen einfließen zu lassen, ohne diese am Bau tatsächlich auszuführen. Spitzenreiter ist hier die oftmals fehlende geprüfte Dichtigkeit (Blower-Door-Test), gefolgt von besonderen Maßnahmen zur Vermeidung von Kältebrücken (verminderter Wärmebrückenzuschlag). Das führt natürlich in der Realität auch zu schlechteren Dämmwerten und die energetischen Standards, wie beispielsweise ein "Effizienzhaus 70", werden nicht erreicht. Die Folge: Das neue Haus verbraucht mehr Energie als auf dem Papier versprochen."
"Fast jeder zweite Bauherr nutzt sein Haus wegen fehlender Informationen energetisch kontraproduktiv! Nicht einmal jeder vierte Bauherr wird in die energetischen Annahmen seiner Immobilie unterrichtet", beobachten der VPB-Bausachverständige und seine Kollegen bundesweit. Das ist kein Wunder, denn rund drei Viertel aller Einfamilienhäuser werden heute schlüsselfertig gekauft. "Diese Häuser sind bereits fix und fertig geplant, wenn der Käufer den Vertrag unterzeichnet, die spätere Anpassung an die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner beschränkt sich in der Regel auf die Auswahl von Böden und Fliesen. Eine Ausrichtung der Planung an den Heizgewohnheiten und Nutzungswünschen der zukünftigen Bewohner ist nicht üblich – und wird, so stellen wir beim VPB fest, von den Käufern bislang auch nicht nachgefragt."
"Dabei ist es ganz entscheidend für die Berechnungen, wie eine Immobilie genutzt werden soll. Ist beispielsweise der Keller als Wohn- und Arbeitsbereich vorgesehen, dann muss er auch gedämmt und konsequent beheizt werden. Dient er dagegen nur als Abstellraum, muss er gegenüber den beheizten Wohnbereichen thermisch abgeschottet werden", erläutert Bauherrenberater Kellhammer. "Energieeinsparung, wie wir sie heute betreiben, ist echtes "Feintuning". Damit das alles optimal funktioniert, müssen die zukünftigen Bewohner wissen, wo ihre Dämmungen verlaufen, welche Räume sie heizen, welche Türen sie geschlossen halten müssen – und vor allem auch, wie sie richtig lüften müssen. Ein modernes Haus braucht eine regelrechte Gebrauchsanweisung. Bei der Sanierung lauern im Übrigen ähnliche Probleme", beobachtet Klaus Kellhammer seit geraumer Zeit. "Weil bei diesen Baumaßnahmen aber in der Regel individuell geplant wird, lassen sie sich von erfahrenen Planern leichter umschiffen."
"Erbost sind private Bauherren jedoch zunehmend über ein ganz anderes Problem", beobachten Klaus Kellhammer und seine Kollegen im Alltag auf der Baustelle: "Die energetischen Sanierungsmaßnahmen amortisieren sich viel langsamer, als ihnen von regierungsnahen Organisationen immer wieder vorgerechnet wird." Das liegt zum einen daran, dass der berechnete Verbrauch nur bedingt mit dem tatsächlichen vergleichbar ist und das sanierte Haus in der Realität erheblich mehr verbraucht als auf dem Papier. Zum anderen daran, dass immer wieder Wirtschaftlichkeitsberechnungen publiziert werden, bei denen ausschließlich Häuser mit jahrzehntelangem Instandhaltungsrückstau zugrunde gelegt werden. Diese Berechnungen gehen davon aus, dass das Haus grundlegend saniert werden muss und dabei die Kosten für Gerüst, Putz und Malerarbeiten ohnehin anfallen. Der relative Mehraufwand für die eigentliche Dämmung fällt dann rechnerisch nur gering aus.
"Mit dieser geschönten Summe werden die Bauherren gelockt. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus", kritisiert Klaus Kellhammer. "Kein Bauherr wohnt in einer solchen Ruine, dass der Putz von der Fassade blättert. Im Gegenteil: Die meisten Hausbesitzer pflegen ihr Heim und erhalten es. Sie brauchen keine Totalsanierung der Fassaden. Wenn sie energetisch sanieren, dann bezahlen sie also nicht nur eine Lage Dämmung, die sich amortisieren muss, sondern sie müssen auch alle dazu gehörigen Nebenkosten einkalkulieren. Das sind neben der eigentlichen Wärmedämmschicht zusätzlich noch die Kosten für das Gerüst, für Putz, Malerarbeiten, für die Anschlüsse, die neuen Fensterbänke, eventuell neue Rollladenkästen, das neuerliche Montieren von Außenlampen, das Anschließen von Geländern an Eingängen und Balkonen und etliche Details mehr."
"Weil aber alle diese Aspekte in den Modellrechnungen nicht berücksichtigt werden, geht der sanierungswillige Hausbesitzer von völlig falschen Voraussetzungen aus und erschreckt zu Recht über die tatsächlichen Kosten", weiß der VPB-Sachverständige und resümiert: "Das ist der Sache nicht dienlich und verärgert unnötig Menschen, die die Klimaziele eigentlich umsetzen und alles richtig machen möchten." Der VPB plädiert deshalb für realistische Modellrechnungen, damit Bauherren wissen, was tatsächlich an Kosten auf sie zukommt und wie lange die Amortisierung dauert.