VPB-Experteninterview
Betongold: Auch bei Immobilienkauf unter Zeitdruck immer Risiken abklären!
Das Immobiliengeschäft brummt. Zumindest in den Ballungsgebieten sind Bauunternehmer und Makler hochzufrieden, denn aus Angst ums Ersparte kaufen private Bauherren seit der Eurokrise fast alles, was sie angeboten bekommen, so die Erfahrung des Verbands Privater Bauherren (VPB). Aber auch wenn die Nachfrage stark ist und der Markt angeblich leer gefegt, so sollten Käufer doch nicht alles blind akzeptieren, was ihnen angeboten wird, mahnt der Verbraucherschutzverband. Das gilt für den Neubau ebenso wie für den Kauf gebrauchter Immobilien. Beim "Betongold" ist nicht alles Gold, was glänzt!
Der VPB beobachtet seit der Eurokrise, wie gerade in den Metropolen und Wachstumsregionen viele Schlüsselfertiganbieter kaum mehr mit sich verhandeln lassen – vor allem, wenn sie Haus und Grund aus einer Hand anbieten. Weil ihnen manche Bauherren die Häuser regelrecht aus den Händen reißen, versuchen sie, die Bedingungen zu diktieren. Die Käufer müssen sie akzeptieren oder auf das Angebot verzichten. Änderungen und Ergänzungen am Vertrag sind nach VPB-Erfahrungen oft unerwünscht und nur schwer durchsetzbar.
Die VPB-Bausachverständigen halten diese Entwicklung für bedenklich: Viele Bauherren schließen Verträge, die sie einseitig benachteiligen – und das, obwohl sie seit Inkrafttreten des Bauvertragsrechts Anfang 2018 deutlich mehr Verbraucherrechte genießen als je zuvor, wie etwa das Recht auf eine ordentliche Baubeschreibung, die Herstellung und Übergabe wichtiger Pläne und Berechnungen und die Nennung eines Fertigstellungszeitpunkts. Aber angesichts der Drohung "Wenn Sie nicht unterschreiben, dann tut es nachher ein anderer", verzichten die Käufer oft auf ihre Rechte und setzen ihre Signatur unter den Bauvertrag, ohne ihn vorher noch einmal vom unabhängigen Sachverständigen prüfen zu lassen.
Wer das tut, so warnt der VPB, riskiert sein Erspartes! Zwei Dinge sollten angehende Immobilieneigentümer in jedem Fall mindestens prüfen lassen, damit sie ihr Geld auch tatsächlich retten und nicht zum Fenster hinauswerfen: zum einen, ob der Bauunternehmer seriös und solvent ist, und zum anderen, ob der versprochene Festpreis für die Immobilie auch tatsächlich der Endpreis ist.
Nach Erfahrungen des VPB müssen Bauherren einer schlüsselfertigen Immobilie in der Regel rund 25.000 Euro zusätzlich zahlen, damit aus dem als – schlüsselfertig – beworbenen Haus zum Schluss auch ein tatsächlich bezugs- und gebrauchsfertiges wird. Hier klaffen Werbung und Vertrag oft weit auseinander. Laut VPB fehlen in vielen Bauverträgen wichtige Leistungen, wie zum Beispiel die Anschlüsse ans öffentliche Versorgungsnetz. Auch die Kosten des Aushubs sind oft im Vertragsentwurf gar nicht geklärt. Dass solche Dinge im Vertrag nicht erwähnt sind, erfährt nur, wer die Baubeschreibung im Vorfeld vom unabhängigen Sachverständigen prüfen lässt. Denn zwar müssen seit 2018 alle Schlüsselfertiganbieter, die mit Verbrauchern Verträge schließen, ohne dass die privaten Bauherren einen eigenen Architekten für die Planung haben, transparente Baubeschreibungen erstellen, die auch auf Kostenrisiken hinweisen. Daran halten sich aber nicht alle. Und auch die tatsächlichen Hinweise auf Kostenrisiken werden gerne an möglichst unauffälliger Stelle untergebracht. Unterlassen die Bauherren diese Prüfung, wissen sie nicht, was im Vertrag alles fehlt und finanzieren nicht ausreichend. Unerwartete Zusatzzahlungen zwingen dann zu schmerzhaften Einschränkungen etwa bei der Ausstattung des neuen Hauses.
Mehr Verhandlungsspielraum haben immer die Bauherren, die bereits ein eigenes Grundstück besitzen und nur eine Baufirma suchen, die ihnen darauf ein Schlüsselfertighaus errichtet. Aber auch hier ist Vorsicht geboten, mahnt der VPB, denn wie stets bei großer Nachfrage nach Neubauten heuern viele Bauunternehmen unerfahrene Subunternehmer an, weil ihre bewährten Kooperationspartner überlastet sind. Probleme mit der Ausführungsqualität sind dann erfahrungsgemäß die Folge, ebenso Probleme beim Ineinandergreifen der einzelnen Gewerke, die mit Bauzeitverzögerungen, Streitigkeiten um Preisabsprachen und wechselnden Bauleitern einhergehen.
Jeder Bauboom hat noch andere unerfreuliche Aspekte für Immobilienkäufer und Bauherren: Neben seriösen Firmen, die zum Teil seit Jahrzehnten ordentlich arbeiten, versuchen dann auch weniger seriöse und unterfinanzierte Unternehmen am großen Baugeschäft zu verdienen. Hier ist wirklich Vorsicht geboten, denn wenn solche Firmen insolvent werden, dann verliert der Bauherr meist viel Geld, warnt der VPB.
Damit das nicht passiert, rät der VPB allen Bauherren, sowohl die Baubeschreibung als auch den Vertrag vor der Unterzeichnung vom unabhängigen Bausachverständigen prüfen und danach ihre Baustelle laufend kontrollieren zu lassen. Auch einen Altbau sollte niemand kaufen, ohne ihn vorher mit dem Experten zu besichtigen. Selbst wenn der Käufer wild entschlossen ist, ein bestimmtes Haus zu kaufen, so sollte er doch die Risiken kennen. Denn was hat er davon, wenn er das Geld, das er doch eigentlich durch den Immobilienkauf über eine Inflation hinweg retten wollte, durch eigene Nachlässigkeit verliert?