VPB-Experteninterview
VPB rät: Wärmedämmung ist nicht immer das Optimum
BERLIN. Alle reden vom Energiesparen. Jeder will es richtig machen, aber wie fängt man damit an? Fassadendämmung? Totalsanierung? Photovoltaik? Sparlampen? Gibt es einen Schutzbrief gegen steigende Energiekosten? "Hausbesitzer sollten sich nicht verrückt machen lassen von den vielen Ratschlägen und Modellrechnungen, die zurzeit kursieren", rät Thomas Penningh, Vorsitzender des Verbands Privater Bauherren (VPB). "Am Anfang jeder sinnvollen Energiesparaktion steht immer die Abwägung von Kosten und Nutzen, und die muss jeder mit kühlem Kopf beurteilen."
"Wir erleben aktuell einen wahren Boom in der Fassadendämmung. Die meisten lassen dabei ihre Immobilie in ein Wärmedämmverbundsystem einpacken", beobachtet Bausachverständiger Penningh. "Nicht immer ist diese Dämm-Methode allerdings auch das Optimum für das jeweilige Haus, viele andere Arten der Dämmung werden dabei vorschnell verworfen. Vor allem ist aber die fehlerfreie Ausführung bei jeder Dämmung das A und O für die erwartete Energieeinsparung. Mitunter führen fehlerhafte Ausführungen sogar zu schweren bauphysikalischen Schäden. Die Sanierung der Sanierung schlägt dann doppelt teuer zu Buche. Das ist ein klassisches Beispiel für eine falsche Energiesparentscheidung. Die Hausbesitzer wurden im Vorfeld schlecht oder gar nicht beraten."
Die Fassadendämmung im Altbau gehört zu den teuersten Energiesparmaßnahmen. Es dauert Jahre, oft Jahrzehnte, bis sich die Kosten amortisieren. "Hausbesitzer sollten sich hier nicht von geschönten Musterrechnungen blenden lassen. Diese Kalkulationen gehen von bestimmten Voraussetzungen aus – und die müssen natürlich auch auf das eigene Haus zutreffen, damit die Rechnung aufgeht. Das ist aber selten der Fall. Deshalb ist das A und O jeder Energiesparmaßnahme immer zunächst die fundierte Energieberatung." Damit sollten Hausbesitzer nur hochqualifizierte Berater beauftragen, die das bauphysikalische Ganze des Hauses beurteilen können und nicht nur einzelne Gewerke. Wichtig ist auch: Die Berater sollten firmen- und produktneutral beraten. "Ein Energieberater, der mir gleichzeitig etwas verkaufen könnte, ist selten objektiv", mahnt Architekt Penningh.
Wo lohnt sich die Haussanierung überhaupt? "Das größte Potential haben wir bei Häusern aus der Zeit zwischen 1950 und 1980. Siebenundvierzig Prozent der Wohnungen in Deutschland stammen aus dieser Zeit." Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde zunächst sehr preiswert gebaut. Später spielten Energiekosten keine Rolle, Öl war billig und scheinbar endlos vorhanden. Erst nach der Ölkrise 1973 besannen sich Bauherren, Industrie und Politiker aufs Energiesparen. Am 1. November 1977 trat die erste Wärmeschutzverordnung in Kraft. Sie hat sich zur heute geltenden EnEV 2009 entwickelt.
Befeuert wird die Energiedebatte auch durch verschiedene Missverständnisse. "Allein im Gebäudebereich werden 40 Prozent der Gesamtenergie verbraucht, lautet eine häufig genannte Zahl. Hier werden aber Äpfel mit Birnen verglichen", weiß Bausachverständiger Penningh. "Es werden nämlich "Gebäude" mit "Wohngebäuden" gleichgesetzt. Tatsächlich verbrauchen alle Gebäude zusammen 40 Prozent der Gesamtenergie, aber das umfasst Schulen, Krankenhäuser, Industrie, Büros, also alle Immobilien. Die eigentlichen Wohngebäude haben nur 26 Prozent Anteil am Energieverbrauch. Dabei entfallen beim Energieverbrauch für Wohngebäude wiederum nur rund drei Viertel auf die Raumwärme. Das Heizen von Wohnungen macht also bundesweit nur rund 20 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs aus."
"Die Höhe des Anteils ist nun kein Grund, nichts zu tun, er zeigt jedoch: Private Hausbesitzer werden selbst mit großen finanziellen Anstrengungen die Energiebilanz der Bundesrepublik nicht alleine ausgleichen. Sie können allerdings den eigene Geldbeutel schonen und ihren Verbrauch oft deutlich senken oder als Vermieter die Qualität ihrer Immobilie für eine bessere Marktgängigkeit optimieren." Mitunter ist die Aufrüstung der Technik wirtschaftlicher, in anderen Fällen eine gute Dämmung. Da sich die Technik rapide entwickelt, und auch das Mietrecht endlich reformiert werden soll, gilt allerdings in einem Jahr schon nicht mehr, was heute gilt. Deshalb: immer aktuell beraten lassen. Was zum Haus und zu den Besitzern passt, das muss bei jeder Immobilie individuell berechnet werden. "Es gibt keine standardisierten Lösungen, die für alle Häuser taugen."
Eine solide geplante und richtig ausgeführte energetische Sanierung lässt dabei oft ein abgestimmtes Vorgehen in mehreren Etappen zu, die die Bauherren finanziell stemmen können – sie ist deshalb ein echter Energiesparvertrag, ein Schutzbrief, der von steigenden Energiepreisen unabhängiger macht. "Das Geld, das Hausbesitzer am Anfang in eine solide Energieberatung investieren, kommt also am Ende mehrfach zurück", rät Thomas Penningh.