VPB-Experteninterview
VPB-Sommerserie 2012 || "Damit Bauen nicht zum Albtraum wird" - Teil 1
BERLIN. Bauen gehört zu den großen Abenteuern: Zehntausende Familien wagen es jedes Jahr. Sie investieren ihr gesamtes Vermögen in ein eigenes Zuhause und verschulden sich auf Jahrzehnte. Viele angehende Eigenheimbesitzer planen heute nicht mehr mit einem Architekten, sondern kaufen sich ein schlüsselfertiges Haus. Die meisten haben keine Wahl, weil Kommunen kaum noch Bauland an Privatleute verkaufen, sondern vorwiegend an Bauträger, so beobachtet der Verband Privater Bauherren (VPB) seit Jahrzehnten. Wer in eigener Regie bauen will, der muss sich sein Grundstück auf dem freien Markt suchen, dazu einen Architekten, der die Ideen der Bauherren versteht und umsetzen kann. Das kostet Zeit und Mühe. Schon allein deshalb neigen viele "Häuslebauer" zum Schlüsselfertigobjekt. Sie hoffen, mit dem Kauf eines "schlüsselfertigen" Hauses zum "Festpreis" behalten sie die Kosten unter Kontrolle.
In der Theorie soll das zwar so sein, die Praxis sieht aber nach VPB-Erfahrung ganz anders aus: Ungenaue Leistungsbeschreibungen, lückenhafte Angebote, überzogene Zahlungspläne sind an der Tagesordnung und verursachen erhebliche Mehrkosten, im Schnitt 25.000 Euro pro Objekt, so die VPB-Erfahrung.
Wer ein Schlüsselfertighaus kauft, der muss dazu einen Vertrag unterzeichnen. Diese Verträge können zwischen Bauunternehmer und Käufer frei ausgehandelt werden. Schlüsselfertiganbieter wissen diese Vertragsgestaltungsfreiheit zu nutzen und legen vieles zu ihren Gunsten fest. Der Laie, der Bauherr, tut deshalb gut daran, den Vertrag vor Unterzeichnung vom unabhängigen Bausachverständigen prüfen zu lassen, damit er nicht die Katze im Sack kauft. Denn, was viele Laien nicht wissen: Die Begriffe "schlüsselfertig" und "Fixpreis" sind reine Werbebotschaften und in keinem Gesetz definiert. Was der Käufer zum Schluss für sein Geld bekommt, das richtet sich ganz allein nach den Vereinbarungen, die Bauunternehmer und Käufer vertraglich fixieren.
Feste Bestandteile jedes Bauvertrags sind das sogenannte Bau- und Leistungsverzeichnis sowie der Zahlungsplan. Die meisten Bauträger, so die Erfahrung des Verbands Privater Bauherren, verpflichten den Käufer mit Hilfe eines überzogenen Zahlungsplans zu enormen Vorleistungen. Das ist nicht ungefährlich. Wird nämlich der Bauunternehmer insolvent, bleibt der Bauherr nicht nur auf dem unfertigen Haus sitzen, sondern er verliert außerdem noch das bereits im Voraus bezahlte Geld. Damit das nicht passiert, sollte der Zahlungsplan immer dem tatsächlichen Baufortschritt entsprechen. Das muss bereits bei Vertragsabschluss genau festgelegt werden. Unseriös, so der VPB, sind alle Verträge, in denen bereits bei Vertragsabschluss ein Abschlag verlangt wird, denn der Bauherr bekommt dafür keinerlei Gegenwert. Beim Bauträgervertrag auch nicht einmal das Grundstück, denn das geht dort erst nach Zahlung der letzten Rate an ihn über.
Ein Klassiker unter den Vertragsproblemen ist die Grundstücksgröße. Da Bauträger in der Regel nicht ein einzelnes, sondern meist mehrere Häuser nebeneinander gleichzeitig bauen, werden die Grundstücksgrenzen oft erst nach der Fertigstellung markiert. Folglich sind auch in vielen Verträgen die Grundstücksgrößen nur ungenau angegeben. Darauf sollte sich der Bauherr nicht einlassen. Häufig fehlen im Vertrag auch die Versorgungsleitungen für Wasser, Strom und Gas. Sie sind aber unentbehrlich, damit ein Haus überhaupt bewohnbar ist. Weil sie nicht enthalten sind, muss sie der Bauherr selbst beauftragen – und zusätzlich bezahlen.
Für alle Neubauten – wie auch für die Sanierung von Altbauten – gilt die Energieeinsparverordnung, kurz EnEV. Bauverträge sehen zwar in der Regel die Ausführung des geplanten Hauses nach den Richtlinien der geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) vor, aber die Planung wird meist gar nicht darauf abgestimmt. Ob ein Haus wirklich nach den Vorschriften des Gesetzes gebaut oder saniert wird, das kann nur ein Bausachverständiger prüfen und erkennen. Und die VPB-Erkenntnisse sind ziemlich ernüchternd: Rund 30 Prozent aller Neubauten entsprechen nicht den Anforderungen der Energieeinsparverordnung. Das ergab eine Untersuchung des VPB. Fast die Hälfte aller untersuchten EnEV-Nachweise ist falsch berechnet. Über die Hälfte der Berechnungen zur Energieeinsparung wird auf der Baustelle technisch nicht korrekt umgesetzt. Zum Beispiel werden häufig schlechtere Dämmstoffe verwendet, als den Berechnungen zugrunde lagen. Das führt natürlich in der Realität auch zu schlechteren Dämmwerten und zu höheren Energiekosten.
Der Teufel steckt also im Detail. Deshalb rät der VPB, alle Angebote, gleich ob von Bauträgern oder Generalunternehmern vor Vertragsabschluss von einem unabhängigen Sachverständigen prüfen zu lassen. Der Berater analysiert und vergleicht Offerten, er lässt Leistungsbeschreibungen nachbessern, kontrolliert Zahlungspläne und sorgt für die Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen und vertraglich vereinbarten Qualitätsstandards auf der Baustelle. Wichtig dabei: Der Sachverständige muss unabhängig sein. Deshalb sollte ihn der Bauherr auch selbst beauftragen. Ein Bauleiter oder Experte, der vom Schlüsselfertigunternehmer bezahlt wird, ist kaum objektiv.
Die nächsten Folgen der VPB-Sommerserie 2012 erscheinen am:
Teil 2 am 1. August: Who is who am Bau?
Teil 3 am 15. August: Die laufende Baukontrolle
Teil 4 am 29. August: Die Bauabnahme
Teil 5 am 12. September: Die Nachbegehung