VPB-Experteninterview
VPB begrüßt BGH-Urteil: Mehr Rechtssicherheit für Bauherren bei Firmenpleiten
Bauherren können Sonderkündigungsrecht vereinbaren, wenn Bauunternehmer Insolvenzantrag stellt
BERLIN. "Bislang hatten Bauherren das Nachsehen, wenn ihre Baufirma pleite ging. Mit einem jetzt veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofs haben sie deutlich größere Chancen, ihr Geld zu retten, als bisher", konstatiert Dipl.-Ing. Corinna Merzyn, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Privater Bauherren (VPB) in Berlin. "Allerdings ist das BGH-Urteil eine Einzelfallentscheidung, kein verbrieftes Verbraucherrecht. Nach wie vor warten wir auf das neue Bauvertragsrecht, das noch zentralere Punkte wie einen Anspruch der privaten Bauherren auf Unterlagenherausgabe verbindlich für alle regeln soll." Aber der Bundesrat verzögert das Gesetz.
Mit seinem Urteil (Aktenzeichen VII ZR 56/15) schafft der Bundesgerichtshof (BGH) immerhin ein gutes Stück Rechtssicherheit und beendet eine lang geführte Debatte, mit welchen Folgen ein Bauvertrag gekündigt werden kann, wenn die Baufirma Insolvenz anmeldet. Baujuristen werten das Urteil als sehr wichtig, denn bislang war heftig umstritten, ob Bauherren vertraglich wirksam Privilegien für sich vereinbaren können, wenn der Bauunternehmer die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Sie riskierten, dass ihre Kündigung gemäß § 649 BGB als sogenannte freie Kündigung gedeutet wurde. Und in diesem Falle müssen die Bauherren der Baufirma beziehungsweise deren Insolvenzverwalter den vollen Gewinn bezahlen. Hinzu kommen in jedem Fall noch die Zusatzkosten, um das begonnene Haus mit anderen Firmen fertigzustellen, denn die Firmen, die in gescheiterte Bauvorhaben einsteigen, lassen sich das Risiko, für die Fehler ihrer insolventen Vorgänger haftbar gemacht zu werden, gut bezahlen. "Die meisten Bauherren können sich solche Verluste nicht leisten. Die freie Kündigung war keine Option", resümiert Corinna Merzyn.
Nicht zu kündigen ist aber für betroffene Bauherren auch keine gute Alternative, denn sie müssen dann die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abwarten, und nach Eröffnung darf sich der Insolvenzverwalter überlegen, ob er weiterbaut oder nicht. Das dauert mindestens ein halbes Jahr. So lange steht der Bau still und verfällt. Die Verpflichtungen und Mietzahlungen der Bauherren laufen aber weiter. Entscheidet sich der Insolvenzverwalter gegen die Fortsetzung des Bauvorhabens, was nach VPB-Erfahrung der Normalfall ist, müssen die Bauherren ebenfalls auf eigene Faust weiterbauen. Eventuelle Vorauszahlungen sind verloren. Der Weiterbau mit neuen Firmen kommt teuer.
Nun haben Bauherren dank des BGH-Urteils vom 7.4.2016 zum ersten Mal die Chance, ihren Bauvertrag im Falle einer Insolvenz der Baufirma rechtssicher privilegiert zu kündigen. Allerdings auch nur, wenn sich die Bauherren dieses Kündigungsrecht vorab vertraglich einräumen lassen und der Bauunternehmer selbst den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen stellt. In allen anderen Fällen gilt das BGH-Urteil nicht.
"Solche Entscheidungen sind zwar für einzelne private Bauherren hilfreich, aber Einzelfallentscheidungen ersetzen keinesfalls die solide Gesetzgebung und den gesetzlich verankerten Verbraucherschutz", kritisiert VPB-Geschäftsführerin Merzyn. "Und hier liegt nach wie vor viel im Argen. Das Anfang März diesen Jahres erst als großer Durchbruch angekündigte Bauvertragsrecht droht sich aktuell durch den Bundesrat zu verzögern und könnte deshalb schlimmstenfalls in dieser Legislaturperiode gar nicht mehr in Kraft treten. Die Koalition hätte dann ein weiteres Ziel aus ihrem Koalitionsvertrag verfehlt. Auf der Strecke blieben dabei wieder einmal die privaten Bauherren."
Bis zur gesetzlichen Regelung müssen sich Bauherren also weiter durchhangeln und jeden Vertrag individuell aushandeln. Um sich den vom BGH freigemachten Weg zu sichern, heißt das konkret: Sonderkündigungsrecht und -folgen vertraglich vereinbaren, Erfüllungssicherheit auf insgesamt zehn Prozent heraufsetzen, ausgewogenen Abschlagszahlungsplan ohne Vorauszahlungen vereinbaren und vor allem die Leistungsfähigkeit des Bauunternehmers fortlaufend beobachten. "Und das müssen die Bauherren erst einmal bei den Baufirmen durchsetzen", weiß VPB-Geschäftsführerin Merzyn. "Dazu brauchen sie gute Beratung und auch Glück, dass die Baufirma mitzieht. Ob Bauherren ihr Recht bekommen oder nicht bleibt also abhängig vom Einzelfall. Und das ändert sich in vielen wichtigen Punkten erst, wenn das neue Bauvertragsrecht endlich in Kraft tritt."