VPB-Experteninterview
VPB rät zu Baustellenbesuchen: Insolvenzen kündigen sich oft an
BERLIN. Geht während des Hausbaus die Baufirma pleite, dann ist das für viele Bauherren eine echte Katastrophe, weiß der Verband Privater Bauherren (VPB). Mit der Insolvenz stockt das Bauvorhaben für mindestens sechs Monate. Ursache für die lange Verzögerung ist das Insolvenzverfahren, das bestimmte Schritte und Fristen vorgibt.
"Bauherren, die in das Insolvenzverfahren ihres Schlüsselfertiganbieters hineingezogen werden, haben schlechte Karten", erläutert VPB-Vertrauensanwalt Holger Freitag. "Denn bis entschieden wird, ob weitergebaut werden kann vergeht viel Zeit, in der der Bauherr oft nichts tun darf, außer warten." Auch aus dem Vertrag kommt er im Normalfall nicht heraus. Selbst weiterbauen darf er auch nicht. "Tut er das dennoch, freut das den Insolvenzverwalter, denn er kann vom Bauherrn Schadensersatz verlangen und das Geld an die Gläubiger verteilen. Schließlich hat der Bauherr ihm mit seiner Eigenmächtigkeit die Chance genommen, den Bau vertragsgemäß fertigstellen zu lassen und dafür die Rechnung zu stellen", erklärt Holger Freitag das Prozedere. "Das Insolvenzrecht ist komplex und nicht unbedingt verbraucherfreundlich."
Bauherren, die mit Generalüber- oder Generalunternehmer auf ihrem eigenen Grundstück bauen, müssen zwar das Verfahren auch abwarten, können aber am Ende ihren Bau selbst fertigstellen – sofern ihr Geld dazu noch reicht. Bauherren von Bauträgern dagegen trifft es hart, denn das Grundstück, auf dem der Bauträger mit ihrem Geld ein Haus baut, gehört bis zum Schluss dem Bauträger. Geht der pleite, fällt das Areal samt Baustelle an die Gläubigerbanken. Meist hat die Bank dann die Wahl, ob sie die Bauherren mit der Ruine allein lässt oder ihnen einen Teil der erhaltenen Gelder zurückzahlt. Diese Wahl fällt naturgemäß zu Lasten der Bauherren aus.
"Etwas Vorsorge ist aber praktizierbar", weiß Rechtsanwalt Freitag. So sollten Bauherren mindestens die ihnen gesetzlich zustehende Erfüllungssicherheit bei Zahlung der ersten Rate geltend machen. Besser, wenn auch teurer, wären höhere vertragliche Sicherheiten. Wichtig ist auch der Zahlungsplan: Er sollte den Bauherrn keinesfalls zur unfreiwilligen Vorkasse zwingen. Unabhängige Bausachverständige können einschätzen, ob der Zahlungsplan realistisch ist. Sind die Abschlagszahlungen höher als der jeweils tatsächliche Wert des Bauwerks, eilen sie also dem Bautenstand voraus, sind diese Überzahlungen verloren, wenn die Firma insolvent wird. Bauherren sollten solche Bauverträge nicht unterzeichnen. Und in jedem Fall sollten Sie während des Baus alle Abschlagsrechnungen immer erst dann überweisen, wenn der Bausachverständige bestätigt: Der Bauabschnitt ist fertig und hat keine Mängel.
Aber selbst wenn die Firma anfangs solide dasteht, wenn die Sicherheiten gestellt sind und der Zahlungsplan in Ordnung ist, kann der Schlüsselfertiganbieter in Turbulenzen geraten. Das passiert allerdings nach VPB-Erfahrung nicht immer von heute auf morgen, sondern bahnt sich oft an. "Bauherren sollten unbedingt regelmäßig auf ihrer eigenen Baustelle nach dem Rechten sehen", empfiehlt Holger Freitag. "Dann fällt ihnen auf, wenn sich Arbeiten verzögern, Subunternehmer nicht mehr erscheinen, wenn plötzlich fremde Firmen auftauchen, Material nicht geliefert wird oder wenn die Baustelle tagelang verwaist ist und einen schlampigen Eindruck macht. Das alles können Hinweise auf mögliche Probleme der Firma sein."
Im Fall eines Falles sollten Bauherren mit Sachverständigen und Baurechtsanwälten überlegen, wie es weitergehen soll. "Hektik schadet", warnt Holger Freitag. "Wer ohne besonderen Grund kündigt, der muss am Ende dem Insolvenzverwalter den Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen zahlen. Wer mit dem Bauträger baut und wie fast immer nur eine Auflassungsvormerkung als Sicherheit hat, verliert mit einem Rücktritt sogar praktisch alle geleisteten Zahlungen."
Wie es mit dem Bau weitergehen kann, das muss im Detail mit den Insolvenzverwaltern und den beteiligten Banken verhandelt werden und hängt von mehreren Faktoren ab: Etwa vom Stand des Bauvorhabens, ob es auf eigenem oder fremdem Grundstück entsteht, ferner vom Zahlungsstand sowie von den Zielen des Bauherrn. Eventuell sind auch noch andere Bauherren betroffen, etwa in einer Eigentumswohnungsanlage. Auch ihre Interessen müssen unter einen Hut gebracht werden. Gemeinsam mit dem Baufachanwalt können die Bauherren nach einem außerordentlichen Kündigungsgrund suchen, mit dem Bausachverständigen den Bautenstand feststellen und klären, wie man den offenen Bau gegen Regen und Frost schützt. "Ohne Beratung sollte man hier nicht unterwegs sein", meint der Experte.