VPB-Experteninterview
VPB warnt: Erst die Bauabnahme, dann der Einzug!
BERLIN. In wenigen Wochen ist Weihnachten. Viele Bauherren möchten zum Jahreswechsel ins neue Heim ziehen. Das sollten sie nicht überstürzen, warnt der Verband Privater Bauherren (VPB). Vor dem Einzug steht nämlich die Bauabnahme - und die ist, neben der Vertragsunterzeichnung, der rechtlich gravierendste Schritt beim Bauen. Mit der Bauabnahme gehen alle Gefahren und Risiken auf den Bauherrn über. Er muss das Haus ab sofort selbst versichern. Mit der Abnahme beginnt auch die Gewährleistungsfrist. "Und die Schlusszahlung wird fällig, denn mit der Abnahme des Hauses bescheinigt der Bauherr dem Bauunternehmer, dass das Haus im Großen und Ganzen in Ordnung ist", erläutert VPB-Vertrauensanwalt Holger Freitag.
"Die Bauabnahme hat also weitreichende Folgen. Bauherren sollten deshalb auf einem Ortstermin auf der Baustelle bestehen und sich nicht mit einer Abnahme zwischen Tür und Angel abspeisen lassen", rät der Rechtsanwalt. Genau das versuchen aber viele Firmen, beobachten VPB-Berater bundesweit. Sie drängen auf schnelle Abnahme. An einem Ortstermin haben sie wenig Interesse. "Das ist aber nicht im Sinne des Bauherrn", erklärt Holger Freitag. "Er muss zwar gemäß § 640 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) das von ihm bestellte Haus abnehmen und bezahlen, aber nur, wenn es keine gravierenden Mängel hat." Um festzustellen, ob tatsächlich alles seine Ordnung hat, ist die förmliche Bauabnahme direkt im Haus und mit allen Vertragspartnern der korrekte Weg.
Bauherren sollten die Abnahme systematisch vorbereiten und gemeinsam mit ihrem Bausachverständigen ein paar Tage vor dem eigentlichen Abnahmetermin die Immobilie überprüfen, rät der VPB. Dabei checkt der Experte, ob alle im Vertrag vereinbarten Arbeiten erledigt sind: Ist das Haus tatsächlich fertig oder fehlen noch Vordach, Geländer, Zuwege, Einfriedung, Rauchwarnmelder? Funktioniert die komplette Haustechnik? Sind alle Mängel, die während der Bauzeit bereits vom Bausachverständigen moniert wurden, inzwischen beseitigt oder noch nicht?
Mit der Liste der Mängel und Fragen geht der Bauherr zum eigentlichen Bauabnahmetermin. Weil das ein Treffen unter Fachleuten ist, sollte er auch dazu seinen Sachverständigen als Berater mitnehmen, denn der spricht und versteht die Fachsprache und kann beurteilen, was die Ausführungen und Zusagen der anderen Teilnehmer bedeuten. Er weiß zum Beispiel, wie viel Zeit der Bauherr dem Bauunternehmer für die Beseitigung eventueller Mängel einräumen sollte, und wie viel Werklohn der Bauherr dafür zunächst einbehalten kann.
Die Bauabnahme sollte unbedingt protokolliert werden. In diesem Abnahmeprotokoll werden alle Mängel aufgelistet, die bei der Begehung festgestellt werden sowie alle Beanstandungen aus früheren Baustellenkontrollen, die noch nicht behoben wurden. Bei der Abnahme stellt sich dann die Frage: Sind die noch vorhandenen Mängel gravierend oder sind es besonders viele Mängel? Ist das der Fall, dann kann der Bauherr unter Umständen die Abnahme zu diesem Zeitpunkt verweigern. "Das ist aber die Ausnahme", erläutert Rechtsanwalt Freitag gängige Praxis. "Im Normalfall wird der Bauherr das Haus trotz kleinerer Mängel abnehmen. Natürlich muss die Baufirma die Mängel noch beseitigen, das muss sich der Bauherr im Protokoll ausdrücklich vorbehalten", erklärt Holger Freitag. "Versäumt er das, kann er nur noch Schadenersatz geltend machen, statt schnell ein mangelfreies Haus zu bekommen." Vorsicht gilt auch bei Vertragsstrafen: "Hat der Bauherr beispielsweise eine Vertragsstrafe vereinbart, falls die Bauzeit überschritten wird, dann muss er sich auch diese Vertragsstrafen im Abnahmeprotokoll ausdrücklich vorbehalten – sonst geht sie verloren."
Oft vereinbaren die Parteien auch einen weiteren Termin, bis zu dem alle Mängel beseitigt sein müssen. Auch zu diesem zweiten Treffen sollte der Bauherr dann seinen Sachverständigen mitnehmen, damit der beurteilt, ob die monierten Schäden tatsächlich inzwischen repariert wurden. "Bauherren sollten sich für die Abnahme Zeit nehmen.", mahnt Rechtsanwalt Freitag. "Auf keinen Fall sollten sie die Schlussrechnung vor der Abnahme bezahlen, weil sie damit ihr stärkstes Druckmittel aus der Hand geben."