VPB-Experteninterview
VPB: Winterbaustellen vorbereiten und sorgfältig betreuen!
BERLIN. Früher ruhte der Bau im Winter. Heute halten Schnee und Eiseskälte niemanden mehr vom Bauen ab. Bauherren drängen zur Eile, Baufirmen versprechen ihnen den schnellen Einzug. Moderne Baustoffe ermöglichen die Arbeit bis fast an den Gefrierpunkt - vorausgesetzt, sie werden nach Vorschrift verarbeitet. Grundsätzlich aber sind die Probleme im Winter aber immer noch dieselben wie 1886, konstatiert der Verband Privater Bauherren (VPB): Damals untersagte die Leipziger Baupolizei das Bauen in der kalten Jahreszeit. Die Obrigkeit wollte die Bürger vor den gesundheitlichen Gefahren nasser Räume schützen. Das sprichwörtliche Trockenwohnen wurde so unterbunden.
Wasser ist auch heute noch das größte Problem beim Bauen im Winter. Dipl.-Bauingenieur Volker Wittmann, Leiter des VPB-Büros Regensburg, empfiehlt deshalb allen Bauherren, den Winterschutz bereits im Bauvertrag verbindlich zu regeln und die Verantwortung dafür möglichst der Baufirma aufzuerlegen. "Bauherren sollten zum Beispiel frühzeitig vereinbaren, dass die Baufirma bei ungünstigen Witterungsverhältnissen heizen und lüften muss, damit das Haus trocknet und die versprochene Bauzeit eingehalten wird." Sonst wird das Versprechen einer kurzen Bauzeit über den Winter möglicherweise auf Kosten der überraschten Bauherren erfüllt. Man sollte sich also besser bereits bei der Vereinbarung des Bauzeitenplanes darauf verständigen, wer die Kosten für möglicherweise erforderliche Zusatzmaßnahmen für die Baustelle im Winter tragen soll. Alternativ kann man selbstverständlich auch die Baustelle im Winter ruhen lassen. Dann entstehen kaum Kosten für besondere Zusatzmaßnahmen. Wintersicher sollte man seine Baustelle aber trotzdem machen:
Wichtig ist auch der Schutz des Rohbaus vor der Witterung. "Damit die wertvolle Bausubstanz nicht auffriert, müssen die Bodenplatten frostfrei bleiben, und zwar von innen und von außen. Das gilt gleichermaßen für unterkellerte wie für nicht unterkellerte Gebäude. Dazu muss die Baugrube zumindest im unteren Bereich verfüllt, beziehungsweise das Erdreich beigefüllt werden. Sämtliche Gebäudeöffnungen sollten mit sturmsicheren Folien verschlossen werden", erklärt der Bausachverständige, "andernfalls dringt der Frost ungehindert in das Bauwerk." Neben Frosteinwirkungen sollte die eingewinterte Baustelle selbstverständlich auch gegen eindringendes Wasser geschützt werden. Sonst steht im Frühjahr ein See im Keller und die gemauerten Kellerwände sind möglicherweise tropfnass. "Besonders gefährdet sind dabei die Durchbrüche in den Kellerwänden, dort, wo die Hausanschlüsse vorgesehen sind. Diese Öffnungen werden am besten druckdicht verschlossen."
Neuralgische Punkte sind stets Kellerfenster. "Sie müssen gegen Überflutung gesichert werden." Das gelingt am besten, wenn Regen und Tauwasser sich gar nicht erst am Haus sammeln können, sondern abgeleitet werden. Das gehört eigentlich zum Handwerk erfahrener Bauleute und sollte von der Firma selbstverständlich erledigt werden. Dringt doch einmal Wasser ins Haus ein, muss es natürlich so schnell wie möglich wieder raus. Steht es monatelang im Keller, sind Schäden und Schimmel die sicheren Folgen.
"Wird das Haus vor der Winterpause nicht mehr eingedeckt, rate ich dazu, es mit einem geeigneten Notdach abzudecken", erklärt Volker Wittmann. "Auch das sollte die Firma von Beginn an mit in ihr Angebot einkalkulieren, wenn der Bauzeitenplan auf Kante mit Dacheindeckung im Dezember geplant werden muss. Häufig können Zimmererarbeiten und Dachdeckerarbeiten dann witterungsbedingt nicht mehr ausgeführt werden."
"Die Sicherung der Baustelle hat das ganze Jahr über Priorität", erläutert Bauherrenberater Wittmann. "Bauzaun, Bautür, Öffnungen und bodentiefe Fenster müssen abends und am Wochenende stets geschlossen sein. Das gilt im Winter ganz besonders, weil der Bau vielleicht doch einmal ein paar Tage oder sogar Wochen ruht."
Moderne Materialien ermöglichen die Arbeit im Winter. Allerdings gelten für viele Baustoffe Mindesttemperaturen, unterhalb derer sie nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Zu jedem Baustoff geben die Hersteller verbindliche Gebrauchsanweisungen heraus, an die sich die Firmen halten müssen. "Dabei geht es aber nicht nur um Mindesttemperaturen. Auch die Holzfeuchte oder die relative Luftfeuchte spielen bei der Verarbeitung bestimmter Baustoffe im Winter eine wichtige Rolle", erklärt der Bausachverständige. "Kunststoffmodifizierte Dickbeschichtungen (KMB) zum Schutz von Kelleraußenwänden etwa dürfen nur bis plus 5 Grad Celsius verarbeite werden. Auch die jetzt häufig eingesetzten modernen feuchtevariablen Dampfbremsbahnen für den Dachausbau sind bei einer Luftfeuchte über 75 Prozent oder auch bei einer Bauholzfeuchte über 20 Prozent nicht mehr sicher zu verlegen. Gleiches gilt für Gipsplatten im Trockenbau: Über 80 Prozent Luftfeuchte beziehungsweise unter zehn Grad Celsius können sie nicht mehr vorschriftsmäßig eingebaut oder verspachtelt werden."
"Erfahrene Handwerker sollten das wissen und auch beachten", konstatiert Volker Wittmann. "Bauherren können sich aber nicht darauf verlassen." Deshalb rät der VPB, alle Schutzmaßnahmen für den Winter vertraglich und detailliert zu regeln und die Baustelle regelmäßig durch erfahrene Sachverständige kontrollieren zu lassen.