VPB-Experteninterview
VPB: Wohnungspolitik bleibt weit hinter Koalitionsversprechen zurück
BERLIN. "Zu Beginn der Legislaturperiode schien es, als ob sich die Regierungskoalition verstärkt wieder den Verbraucherbauherren zuwendete. Tatsächlich bleibt sie jedoch weit hinter den Versprechungen zurück." Dieses Fazit zieht Corinna Merzyn, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Privater Bauherren (VPB), ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl.
Zwar wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, die Einführung eines Freibetrags bei der Grunderwerbsteuer für Erstkäufer zu prüfen. Doch über den Prüfauftrag hinaus ist das Unterfangen nicht gediehen. "Selbst das neu eingeführte Baukindergeld wird von der hohen Grunderwerbssteuer meistens gerade wieder aufgefressen", kritisiert Merzyn.
Die Anforderungen an das vorzuweisende Eigenkapital hingegen sind weiter gestiegen. Junge Menschen haben aber kaum noch Möglichkeiten, in Niedrigzinsphasen etwas anzusparen. "Diese Generation kann sich Wohneigentum nur noch dann leisten, wenn sie aus wohlhabenden Elternhäusern kommt, die bei der Finanzierung mithelfen", so Merzyn. "Der Traum vom Aufstieg aus eigener Kraft bleibt so für viele unmöglich, selbst wenn sie solide verdienen. Dabei ist Wohneigentum für die große Mehrheit nach wie vor ein Lebenstraum. Die Erfüllung dieses Traums rückt nun jedoch selbst für leistungsbereite Aufstiegswillige aus ärmerem Elternhaus wieder weiter in die Ferne. Gesellschaftliche Ungleichheiten werden so zementiert."
"Die Sicherheit des mietfreien Wohnens im Alter wäre jedoch angesichts steigender Mieten und sinkender Rentenzahlungen wichtiger denn je", betont die VPB-Hauptgeschäftsführerin. "Diese Sicherheit ist gerade für Mittelverdiener das Ziel, um im Alter trotz knapper Rente nicht auf den Gang zum Amt angewiesen zu sein."
Vor diesem Hintergrund fatal ist auch die Aufgabe des im Koalitionsvertrag verankerten Projekts, die Eigenkapitalbildung durch ein Bürgschaftsprogramm zu unterstützen. "Gerade für junge und leistungsbereite Menschen aus weniger wohlhabenden Elternhäusern wäre dies ein wichtiges Signal gewesen", so Merzyn.
Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz soll nun obendrein eingeführt werden, dass Kommunen die Umwandlung von Mietwohnungen in Wohneigentum verbieten dürfen. Gerade im Bestand aber liegt für Mittelschichtsfamilien oft die einzige Möglichkeit, durch den Kauf ihrer Mietwohnung zu einem erschwinglichen Preis für die eigene Zukunft vorzusorgen. In Gegenden mit hohen Grundstückspreisen ist ein Neubau für die meisten unerschwinglich. Viele werden jetzt gezwungenermaßen lebenslang zur Miete wohnen müssen.
Selbst die angekündigten und dringend erforderlichen Nachbesserungen beim Bauträgerrecht sind noch nicht einmal in Sichtweite. Der Koalitionsvertrag sprach noch davon, Verbraucherbauherren bei Insolvenz des Bauträgers wenigstens etwas zu schützen. Auch Expertenrunden im Justizministerium bestätigten als eines ihrer Kernergebnisse, wie wichtig die Absicherung ihrer Abschlagszahlungen für private Wohnungskäufer ist. "Auf den daraus entwickelten Gesetzesentwurf warten die Menschen jedoch bis heute. Besonders für diejenigen, die als Einstieg erst einmal eine kleine Eigentumswohnung kaufen, geht es bei einer Bauträgerinsolvenz um existenzielle Risiken", betont Merzyn. "Unsere Gesetzgeber lassen die Verbraucherbauherren sprichwörtlich im Regen stehen. Seriöse Bauträger könnten die angedachte Sicherheit leicht aufbringen. Unseriöse Firmen jedoch werden durch diese Untätigkeit der Gesetzgeber geschützt. Angesichts knapper Grundstücke ist das verantwortungslos, denn jede Wohnung, die auf diese Weise nicht fertig gebaut werden kann, fehlt - und zwar der gesamten Gesellschaft."
Da tröstet es auch nicht, dass mit der Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes energetische Sanierungen vereinfacht beschlossen werden können. "Dort, wo private Bauherren mit eigenem Geld klimapolitische und gesamtgesellschaftliche Ziele umsetzen, geht es voran", so Merzyn. "Dort, wo jedoch Aufstiegswilligen die Rahmenbedingungen gegeben werden sollen, sich aus eigener Kraft ihre Zukunft zu gestalten, wird es in der Regierung merkwürdig still. Nach dem mutigen Beginn mit dem Programm des Baukindergeldes hat die Koalition anschließend vor allem eine Politik verfolgt, die sozialen Aufstieg verhindert und den Traum vom mietfreien Wohnen für immer mehr Menschen unerreichbar bleiben lässt. Die sinkende Wohneigentumsquote der Nestbauergeneration ist das sichtbarste Resultat. Enttäuschte Aufstiegshoffnungen und Resignation bereiten jedoch viel weitergehende gesellschaftliche Kopfschmerzen."