VPB-Experteninterview
Mehr Schutz für Bauherren bei Firmenpleiten: VPB fordert gesetzlichen Anspruch auf zehn Prozent Erfüllungssicherheit
BERLIN. Wenn Schlüsselfertigunternehmer Pleite gehen, dann kann das Bauherren die Existenz kosten, es sei denn, sie haben Sicherheiten vereinbart und zwar in ausreichender Höhe. Das ist allerdings bei weitem nicht immer der Fall, konstatiert der Verband Privater Bauherren (VPB). Im Gegenteil, in der aktuellen Hochphase können sich Baufirmen ihre Bauherren aussuchen, und wer Sicherheiten verlangt, der bekommt in der Regel das gewünschte Haus nicht. Das beobachten viele VPB-Berater bundesweit.
"Dabei stehen jedem privaten Bauherrn Sicherheiten zu", erläutert VPB-Vertrauensanwalt Holger Freitag. "Seit 2009 hat jeder private Bauherr, der Abschlagszahlungen für Neu- oder Umbau eines Hauses leistet, laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB § 632a, Absatz 3) einen Anspruch auf eine Sicherheit in Höhe von fünf Prozent der Bausumme. Der Bundesgerichtshof hat sogar entschieden, dass bei der ersten Rate im Abschlagszahlungsplan in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf diesen Anspruch hingewiesen werden muss. Sonst ist diese Klausel unwirksam (BGH VII ZR 191/12).
Die im BGB beschriebene Sicherheit soll Bauherren vor allem gegen Insolvenzen des Bauunternehmens während der Bauzeit schützen. Das klingt verbraucherfreundlich, ist aber im Alltag nach VPB-Erfahrung wirkungslos. "Selbst wenn Firmen Sicherheiten stellen, wird der Bauherr ganz oft über den Zahlungsplan zur Vorkasse gezwungen", erläutert Volker Wittmann, Bausachverständiger und Leiter des VPB-Regionalbüros in Regensburg. "Dieses vorausbezahlte Geld verliert er im Falle einer Insolvenz. Oft übersteigt der Schaden dann die fünf Prozent Sicherheit auch noch um einiges."
Böse enden kann es auch, wenn der Bauherr kritiklos alle Rechnungen begleicht. Firmen behaupten, ein bestimmter Bauabschnitt sei fertig, die laut Zahlungsplan vereinbarte Abschlagsrechnung folglich fällig. "Das trifft aber nur zu, wenn die Bauleistung technisch in Ordnung ist", erklärt Volker Wittmann. "Für mangelhafte Arbeit muss der Bauherr nicht zahlen – was er aber nur merkt, wenn er seine Baustelle regelmäßig vom unabhängigen Sachverständigen kontrollieren lässt." Volker Wittmann kennt drastische Fälle: Ein Bauherrenpaar sollte eine Abschlagsrechnung über 70.000 Euro begleichen. "Das wäre an sich in Ordnung gewesen, aber die Firma hatte – neben anderen Mängeln - die Garage falsch gebaut. Abriss und Neubau standen an." Der Bausachverständige riet, die Rechnung wegen dieser schwerwiegenden Mängel nicht zu überweisen. Das zurückbehaltene Geld half dem Bauherrn am Ende, denn später war die Firma, die so mangelhaft gebaut hatte, auch noch pleite. Mit den zurückbehaltenen 70.000 Euro konnte der Bauherr die fehlerhafte Garage korrigieren und viele weitere Mängel beheben lassen. Das Haus konnte anschließend doch noch fertig gebaut werden. "Teurer wurde es dennoch, denn wer unter Zeitdruck eine neue Firma suchen muss, der muss immer mehr bezahlen, als wenn er in Ruhe Angebote einholen kann."
"Beim Bauen stehen immer große Summen auf dem Spiel. Schutz vor Insolvenzen sind deshalb unentbehrlich. Allerdings reichen die bestehenden Regelungen nach BGB nicht aus", konstatiert VPB-Vertrauensanwalt Freitag. Der VPB fordert deshalb vom Gesetzgeber: Die Sicherheiten bei Bauverträgen mit Verbrauchern müssen von derzeit fünf auf zehn Prozent erhöht werden. Zusatzkosten für die Fertigstellung der Immobilie mit einem Drittunternehmer fallen an. Außerdem laufen nach einer Insolvenz zusätzliche Mietkosten und Darlehenszinsen auf, weil sich der Bau natürlich verzögert. Auch diese Kosten müssen im Notfall ausgeglichen werden. Schließlich sind Überzahlungen im Zahlungsplan durch neue bautechnische Entwicklungen mit Gewerkeumstellungen an der Tagesordnung.
Ein weiteres Problem sieht der VPB bei Unternehmerinsolvenzen während der Gewährleistungsphase. Der private Bauherr hat fünf Jahre Garantie auf sein Haus. So lange steht der Unternehmer für Mängel gerade – sofern er noch am Markt ist und nicht insolvent. Ist die Firma pleite, muss der Bauherr die Beseitigung aller Mängel aus eigener Tasche bezahlen. Eine Gewährleistungssicherheit von fünf Prozent der Bausumme ist hingegen bei der Öffentlichen Hand als Bauherr durchaus üblich. Hier müssen Bauherren abwägen, ob sie ein Mehr an Sicherheit durch einen etwas höheren Baupreis erkaufen wollen oder alternativ eine Gewährleistungsversicherung anstreben. Den Punkt bedenken sollten sie allemal.