VPB-Experteninterview
VPB rät: Bauherren müssen Schallschutz vertraglich vereinbaren
BERLIN. Lärm macht krank. Deshalb gehört die Planung des Schallschutzes zu den wichtigsten Aufgaben beim Bauen. "Das ist allerdings nicht jedem Bauherrn bewusst", beobachtet Dipl.-Ing. Klaus-Dieter Hammes, Bausachverständiger des Verbands Privater Bauherren (VPB). "Nach wie vor nutzen Schlüsselfertiganbieter die Unwissenheit der Bauherren aus und offerieren ihnen im Bauvertrag lediglich den Schallschutz nach DIN 4109."
"Die DIN 4109 beschreibt aber nur Mindestanforderungen und ist für den Wohnungsbau nicht ausreichend. Sie entspricht nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik (aaRdT). Mehrere Gerichte haben das in den vergangenen Jahren festgestellt und für den Wohnungsbau besseren Schallschutz gefordert, als ihn die DIN 4109 garantiert", erläutert der Leiter des VPB-Büros in Aachen. Gerade in Reihen- und Doppelhäusern sowie Eigentumswohnungen wünschen sich viele Bewohner besonderen Schallschutz. "Dazu gibt es verschiedene bautechnische Möglichkeiten. Alle gewünschten Maßnahmen müssen allerdings vor Vertragsabschluss geplant, vereinbart und in den Bauvertrag aufgenommen werden."
Wie wird Schallschutz in der Praxis konstruiert? "Grundsätzlich schützen schwere Baustoffe vor Lärm. Je schwerer die Materialien sind, umso mehr Schall absorbieren sie", erklärt Bauingenieur Hammes. Experten unterscheiden dabei zwischen Luft- und Trittschall. Über die Luft werden zum Beispiel Gespräche oder Musik aus dem Nachbarhaus übertragen. Der Trittschall von oben oder nebenan stört vor allem Menschen in Etagen- und Eigentumswohnungen.
Schallschutz ist kein Hexenwerk, muss aber vorausschauend geplant werden. "Beispielsweise bieten Schlüsselfertigfirmen in der Regel 18 Zentimeter dicke Decken an. Wenn wir die Stahlbetondecke aber 20 oder 22 Zentimeter dick gießen, dann bekommen wir mit diesen zwei bis vier Zentimetern mehr schon einen besseren Schallschutz. Ergänzt wird die Decke noch durch eine Trittschallmatte, die unter dem Estrich auf dem Boden verlegt wird." Auch bei den Mauern lässt sich solider Schallschutz mit handelsüblichen Baustoffen erreichen. "Entscheidend ist die sogenannte Rohdichte des Steins. Sie sollte zwischen 1.800 und 2.000 Kilo pro Kubikmeter (kg/m3) liegen", erläutert Bauherrenberater Hammes. "Das bieten praktisch alle gängigen Steine".
Aber Decken und Außenwände sind nur zwei Aspekte, die bedacht werden müssen. Auch Spalten unter Wohnungs- und Zimmertüren können schallschutztechnisch problematisch sein, ebenso leichte Trenn- und Innenwände, undichte Fenster oder die Dachkonstruktion. Auch die Innenausstattung ist für den Schallschutz von großer Bedeutung. Teppichböden beispielsweise dämmen Trittschall effektiver als Holzparkett. Bodenlange Vorhänge aus schwerem Stoff schlucken mehr Schall als Jalousien.
Auch das Bedürfnis nach Schallschutz ist individuell sehr unterschiedlich. Den einen stört schon das Hüsteln des Nachbarn, der andere bleibt auch bei tobenden Kindern noch stoisch. Deshalb ist die Planung des Schallschutzes ein individuelles Problem. Bauherren, die Ruhe schätzen, sollten das Thema unbedingt vor Bau und Kauf mit einem unabhängigen Experten besprechen. Er weiß, was technisch möglich und sinnvoll ist - und was die individuell geplanten Schallschutzmaßnahmen kosten.
Keinen besonderen Schallschutznachweis benötigen übrigens freistehende Einfamilienhäuser. Bauherren von Reihen- und Doppelhäusern allerdings sollten immer genau hinsehen: Selbst wenn die Zwischenwände vorschriftsmäßig getrennt sind, ist der Schallschutznachweis nötig und erhöhter Schallschutz in der Regel empfehlenswert. "Besondere Schallschutzmaßnahmen sollten auch Bauherren in der Nähe von Flughäfen und vielbefahrenen Straßen in Betracht ziehen", rät Bauingenieur Hammes. Auch da macht es die Masse: Betondächer schlucken erheblich mehr Schall als leichte Holzkonstruktionen. Und gegen Straßenlärm schützen Schallschutzfenster.
Wie stark der zusätzliche Schallschutz das Budget belastet, hängt davon ab, welche Ansprüche die Bauherren haben. "In jedem Fall müssen die Bauherren den erhöhten Schallschutz ausdrücklich verlangen und in den Vertrag verhandeln", erläutert VPB-Berater Hammes. "Außerdem sollten sie gleich zu Beginn darauf bestehen, die Schallschutznachweise, die ja im Reihen- und Doppelhaus sowie bei Eigentumswohnungen vorgeschrieben sind, mitsamt den Bauunterlagen ausgehändigt zu bekommen. Andernfalls haben sie nichts in der Hand und können noch nicht einmal prüfen lassen, ob ihr Haus geltendem Recht entspricht", so die Erfahrung des Experten.