VPB-Experteninterview
VPB: Vor dem Einzug Haus gründlich trocknen
BERLIN. "Früher mussten neue Häuser monatelang trocknen, bevor sie bezogen werden durften. Heute drängen Bauherren ins Haus, sobald die Handwerker die Leiter zusammengeklappt haben", beobachtet Dipl.-Ing. Thomas Penningh, Präsident des Verbands Privater Bauherren (VPB). "Dabei hat sich nichts geändert: Neue Häuser mit frischem Putz und Estrich sind nass. Wer die Feuchtigkeit nicht systematisch aus dem Haus heizt und lüftet, der muss mit Schimmel rechnen."
Wie aber funktioniert richtiges Lüften? Bausachverständiger Penningh rät: "Mindestens zwei Wochen lang das leere Haus konsequent heizen und drei- bis viermal täglich jeweils zehn Minuten stoß- und querlüften." Dabei wird innerhalb kurzer Zeit viel Luft ausgetauscht. "Bauherren sollten hier nicht an der falschen Stelle Energie sparen", warnt der Experte. Genauso falsch wäre es aber, die Fenster über längere Zeit zu kippen. "Beim gekippten Fenster tendiert der Luftaustausch gegen null. Dafür kühlen die Innenwände und Böden stark ab. Die Feuchtigkeit bleibt im Bau und wird zum Nährboden für Schimmel." Nicht lüften sollten Bauherren natürlich bei nassem Wetter, wenn die Luftfeuchtigkeit außen höher ist als innen.
Das Trocknen der Räume lässt sich mit speziellen Trockengeräten auch beschleunigen, wobei die Nutzung von Baustrom zum Trocknen besonders ins Geld gehen kann. Thomas Penningh rät beim Trocken allerdings zur maßvollen Zurückhaltung: "Zu trocken ist auch nicht gut. Die Luftfeuchtigkeit im Raum sollte zwischen 50 und 60 Prozent betragen. Alles, was darunter liegt, verursacht bei vielen Menschen gesundheitliche Probleme und macht sie anfällig für Infekte."
Am besten sollten Bauherren die Feuchtigkeit vom Experten kontrollieren lassen. Erst wenn der richtige Trocknungsgrad des Estrichs erreicht ist, der Fachmann spricht von "Belegreife", sollte der Bodenbelag verlegt werden. "Bei Estrichen ist eine sogenannte CM-Messung dringend zu empfehlen. Werden dampfdiffusionssperrende Beläge verwendet, ist diese sogar zwingend vorgeschrieben", erläutert der Sachverständige. "Der Trocknungsgrad des Putzes kann mit üblichen Feuchtigkeitsmessern ermittelt werden. Bis ein Neubau richtig ausgetrocknet ist, vergehen drei Heizperioden, also drei Winter. In dieser Zeit entdecken viele Bauherren Risse an allen möglichen Stellen des Hauses – im Boden, an den Wänden, neben den Fenstern, in den Fliesen. "Die meisten Risse werden durch Trocknung und Schwund in Putz und Estrich verursacht. Sie sind meist harmlos und können später ausgebessert werden", erklärt Thomas Penningh.
Drei Jahre lang sollten Bauherren auch darauf verzichten, Schränke oder Regale direkt an die Außenwände zu rücken. "Wenn der Putz an diesen Stellen nicht richtig trocknen und ablüften kann, besteht auch dort Schimmelgefahr." Thomas Penningh hält auch einen neuen Trend für bedenklich: "Viele Bauherren verzichten auf Schränke. Sie bauen stattdessen Ankleidezimmer. Oft haben diese Räume kein eigenes Fenster und lassen sich nicht lüften. Hängen dann Kleider direkt vor einer Außenwand, oder werden gar Schränke hineingestellt, wird auch hier das Austrocknen der Wand verhindert. Schimmel ist eine Folge."
Auch in der Küche ist Vorsicht geboten: Dort addieren sich in der Raumluft Restfeuchte und Kochdunst zu hoher Sättigung. "Die Bewohner sollten unbedingt auf die unteren Fensterpartien achten. Dort setzt sich die Feuchtigkeit gern an den Dichtungen ab. Bleibt sie unbemerkt, kann sich an dieser Stelle Schimmel entwickeln.
Kaum verhindern lässt sich Feuchtigkeit bei Bädern unter der Dachschräge. "Beim Duschen steigt die Nässe nach oben und schlägt sich am Dachflächenfenster nieder. Von dort läuft sie das Fenster herunter und sickert schließlich in die Gipskartonbekleidung unterhalb des Fensters - Stockflecken und Schimmel sind praktisch garantiert. Abhilfe schaffen nur konsequentes Lüften und Abwischen. Außerdem kann die Leibung des Dachflächenfensters mit einem Kunststoffprofil ummantelt werden, von dem sich die Nässe leicht abwischen lässt, bevor sie die Wand erreicht.
Wo Menschen wohnen, muss gelüftet werden. Heute erledigen das in der Regel kontrollierte Be- und Entlüftungsanlagen – die im Übrigen auch gewartet werden müssen. Beim neuen Haus reicht das mechanische Lüften am Anfang oft nicht aus. "Vor dem Bezug und damit zum Trocknen von Estrich und Putz ist eine mechanische Lüftung nicht einzusetzen. Auf Grund der Verschmutzungsgefahr der Lüftungsrohre ist diese erst nach Bezug zu betreiben. Dann muss zusätzlich von Hand gelüftet werden. Bauherren müssen ihr Haus erst kennenlernen – und lieber einmal zu viel als einmal zu wenig lüften", empfiehlt der VPB-Experte.