VPB-Experteninterview
VPB: Laufende Kontrolle auch bei Eigentumswohnungen sinnvoll
BERLIN. Rund 6.000 Eigentumswohnungen entstehen allein in Hamburg jedes Jahr. Auch andere Kommunen in der Bundesrepublik wachsen rasant. "Vor allem für jüngere Menschen ist die Eigentumswohnung der Einstieg ins Wohneigentum schlechthin", beobachtet Dipl.-Ing. Herbert Oberhagemann vom Verband Privater Bauherren. "Dabei ist die Verkaufsmethode alles andere als verbraucherfreundlich", kritisiert der Leiter des Hamburger VPB-Büros: "Aktuell können sich die Bauträger ihre Käufer aussuchen. Sie bieten die Wohnungen am Wochenende an Infoständen mitten im Baugebiet an. Die Leute stehen Schlange, und wer Glück hat, der bekommt eine Wohnung."
"Bauträger, die große Wohnblöcke errichten, haben kein Interesse daran, sich im Vorfeld mit kritischen Bauherrenfragen auseinanderzusetzen", weiß Bausachverständiger Oberhagemann. "Sie müssen es auch gar nicht, solange der Andrang so groß ist und die Käufer bedingungslos alles akzeptieren." Dabei wäre es ideal, wenn Käufer den Vertragsentwurf vor der Unterschrift vom unabhängigen Experten prüfen ließen. Dazu haben sie 14 Tage Zeit. Bei der Vertragskontrolle fallen zum Beispiel Lücken im Angebot auf. Selbst wenn die Käufer entschlossen sind, die Wohnung zu kaufen, erfahren sie dann wenigstens, worauf sie sich einlassen. Gerade der Kauf vom Bauträger birgt besondere Gefahren: Bleibt der Bau wegen Insolvenz stecken, kann der Käufer einerseits nicht vom Vertrag zurücktreten, ohne sein bisher gezahltes Geld zu riskieren. Andererseits kann ihn die Bank des Bauträgers mit der Auszahlung des Gegenwerts der Bauruine abspeisen, egal, wie viel er tatsächlich schon bezahlt hat. So oder so kann der Käufer die Wohnung also gegen seinen Willen und mit Verlust verlieren. Deshalb ist es wichtig, vorab Vertrag und vor allem Zahlungsplan prüfen zu lassen und Abschlagszahlungen wirklich nur entsprechend dem Baufortschritt zu überweisen.
"Auch Einzugstermine sind für Bauherren sehr wichtig, denn sie richten ja ihre Pläne danach, etwa die Kündigung der alten Mietwohnung und den Umzug." Verzögerungen sind jedoch Usus: "Acht Wochen gelten da leider als völlig normal. Das sollten Käufer deshalb grundsätzlich als Puffer einplanen", empfiehlt der Experte.
"In der Regel melden sich Käufer von Eigentumswohnungen beim unabhängigen Bausachverständigen aber erst, wenn es auf der Baustelle hakt", beobachtet Herbert Oberhagemann. "Wenn sie am Wochenende vorbeischauen und merken, der Bau kommt nicht voran, obwohl sie schon viel Geld überwiesen haben. Oder wenn sie feststellen, ihre Sonderwünsche werden ignoriert. Klassisches Beispiel sind die Steckdosen: Viele Bauherren machen sich Mühe mit der individuellen Planung. Wird die dann ignoriert, werden sie stutzig."
"Gemeinsam mit dem Käufer gehen wir Bausachverständigen über die Baustelle und prüfen, ob sein Verdacht zutrifft. Ist das der Fall, schreiben wir ein Protokoll und schicken es an den Bauträger mit der Bitte um Erledigung. Oft klappt das, mitunter auch nicht. "Etablierte Firmen sind natürlich eher auf ihren guten Ruf bedacht und bemühen sich, Mängel zu beheben", weiß Bauherrenberater Oberhagemann. "Voraussetzung ist natürlich, jemand weist sie auf die Probleme hin. Stellt sich eine Firma stur, raten wir dem Bauherrn auch schon einmal, einen Baurechtsanwalt einzuschalten."
Bis zur Bauabnahme kommen so, je nach Objekt drei bis vier Baukontrollen zusammen. "Wichtig ist die Abnahme des Sondereigentums", erläutert Herbert Oberhagemann. "Sind die während der Bauzeit beanstandeten Mängel bis dahin nicht behoben, rate ich dazu, die Wohnung nur unter Vorbehalt abzunehmen. Damit wahren Bauherren ihr Recht auf Nachbesserung.
Die laufende Baukontrolle gilt dem gesamten Gebäude. "Die Käufer haben ja nicht nur am Sondereigentum Interesse, sondern stehen, als Mitglieder der Eigentümergemeinschaft, auch für das Gemeinschaftseigentum gerade", erklärt Sachverständiger Oberhagemann. "Wir beraten häufig mehrere Eigentümer in einer Anlage. Sie haben in der Regel die gleichen Probleme – und gemeinsam mehr Durchsetzungskraft. Dabei gilt grundsätzlich: Je früher die Bauherren zur Beratung kommen, umso mehr kann der unabhängige Sachverständige für sie tun."